Die Doku „Meine Brüder und Schwestern in Nordkorea“
Was sind die Hintergründe der Trennung zwischen Nord- und Südkorea? Wie kam es dazu? Keine Ahnung. Wie steht die Weltgemeinschaft zu Nordkorea – na kritisch. Wir kennen alle die Militärparaden aus dem TV, hören von der Unterdrückung, der Abschottung. Es gab Streit mit Trump. Und immer wieder die Sache mit der Bombe. Es muss schlimm sein für die Brüder und Schwestern in Nordkorea.
Die Filmemacherin Sung-Hyung Cho hat es irgendwie geschafft, Zugang zu erhalten. Hat die Regierung nach Treffen gefragt und bekam die Erlaubnis, das Land gezielt und begleitet zu bereisen.
„Ein Fenster in eine verschlossene Welt“
Was der uninformierte Zuschauer dann sieht und hört, sind warmherzige Begegnungen mit echten Menschen. In ruhigen Einstellungen beobachtet die Kamera. Die Autorin stellt neugierig und einfühlsam ihre Fragen. Es ist ein intensiver Film, dem eine Spannung innewohnt. Kommt diese Spannung von einer Diskrepanz zwischen dem Gesehenen und dem, was ist? Man weiß es nicht. In den Gesichtern lässt sich keine Furcht ablesen, oder Zwang, der über die ungewohnte Situation eines Interviews hinaus ginge. Sie fehlen, die unsicher fragenden Seitenblicke zu den Aufpassern im Off. Das irritiert. Ist der Film zensiert worden? Durchgefilter von der Propagandamaschine? Was waren nochmal all diese politischen Hintergründe? Warum sieht man es nicht, das schlimme Nordkorea?
In den Sequenzen zwischen den Interviews schaut der Blick der Kameralinse aus dem Autofenster. Landschaften ziehen vorüber, in Zeitlupe gefilmt. Zeitlupe sicher deshalb, weil so die quasi heimlich aufgenommenen Bilder, sonst verwackelt, zu gleitend ruhigen Einstellungen werden. Die Filmtechnik zur Rettung, sie durchschaut die Propaganda.
Die Natur, die man sieht, ist geordnet und schön. Natur hat diese Eigenschaft, auch den größten Unglücken mit einer stoischen Unbeeindrucktheit, einer versteinerten Mine, gegenüber zu stehen. Luftaufnahmen können das auch. Aus der Ferne ist immer alles ganz friedlich geordnet. Das Gras hat immer die selbe Farbe.
Das Rätsel der Normalität
Aber es gibt auch Straßenränder, Boulevards, Bürgersteige zu sehen. Nahe Dinge, zufällige Dinge. Menschen in Bussen, auf Fahrrädern, Passanten auf Plätzen. Manches, eigentlich alles, ist altmodisch, aber nicht heruntergekommen. Straßen, Plätze und Orte wirken wie geleckt. Orte, die so groß sind, dass kein Propagandateam der Welt sie für diesen Film durchgefegt haben könnte, den Beton erneuert, die Buchsbäume geschnitten haben könnte. Oder? Wie?
Die Menschen erzählen in den Interviews von einer naiv wirkenden Liebe zu ihrem „Marschall“. Der Priorität der Gemeinschaft. Vom Unverständnis der Einsamkeit. Der Zufriedenheit mit dem Einfachsten. Man erlebt fröhliche Schüler, die pädagogisch gekonnt Englischunterricht erhalten. Eine Kita, in der geschürzte Betreuerinnen anrührend sorgsam mit den kleinen Schutzbefohlenen musizieren. Näherinnen, die mit Bienenfleiß arbeiten und Bauern, die körperlich schwer mit ihren einfachen Mitteln schuften, Männer wie Frauen. Man ahnt, wer all die Boulevards, die Betonsockel, die Buchsbäume pflegt, mit Besen und Hand.
Der Film ist gedacht, als ein Fenster in eine verschlossene düstere Welt. Und doch schaut er auch umgekehrt in einen selbst hinein. Sind diese Menschen glücklich? Wer ist hier glücklicher? Welches Leben ist beschwerlicher? Was erfüllt? Die wiederkehrende Frage der Autorin an die Protagonisten, nach deren Wünschen, erhält unterschiedliche Antworten: Sängerin, Modedesignerin. Dinge, die auch in der so freien Welt meist Wünsche bleiben. Das Land wie auch der Film, es ist, es bleibt rätselhaft. Nordkorea ist eine Provokation für unsere Lebensweise.
Meine Brüder und Schwestern in Nordkorea
Ein sehenswerter Film.
HR/Kundschafter Filmproduktion GmbH
Immer wieder seit 2017 vereinzelt im Nachtprogramm der ARD.
Zuletzt zur Geisterstunde am 08.11.2021 um 01.00h im HR.
Derzeit für einige Tage bis zum 14.11.21 abrufbar in der Mediathek.
Wikipedia und IMDb.
Trailer: