Second Screen Fail für die Öffis mit EM-Watchparty

Das lineare Fernsehen möchte jetzt auch mal Twitch und so machen. Ein junger Moderator solls für die Zielgruppe richten. Wir haben mal 'reingeschaut. Macht ja sonst niemand....
Veröffentlicht am 18. Juni 2024

„Hey, wir müssen mal was für die junge Zielgruppe machen! Die interessieren sich gar nicht mehr für unser Programm. Aber UEFA Euro 2024 guckt doch jeder, oder? Da könnte man doch mal was machen. Es heißt ja immer, die Leute würden beim Fernsehen jetzt auch immer am Handy hängen. Lass doch mal damit was machen. Ja, so ’nen „witch stream“, oder wie das heißt! Jo, genau!“

So oder so ähnlich muss sich die Programmkonferenz beim ÖRR angehört haben, als man sich das Begleitprogramm zur diesjährigen Heim-EM ausgedacht hat. Waldis verschnarchter Fußball-Klub hat sich ja nicht so bewährt. Und warum auch weiter über ein Spiel quatschen, dass ja schon unmittelbar davor von den Experten analysiert wurde…

ARD Sportschau Watchparty

Also hat man die GEZ Millionen in die Hand genommen und irgendwas gestrickt, etwas, das mit YouTube, Twitch und TikTok kompatibel sein soll. Ganz innovativ – ein authentisches Format, direkt aus der Kneipe! Als Parallelprogramm zu ausgewählten Spielen. Als Location nimmt man eine richtige kleine Leute Kneipe – da, wo der gemeine Fan so lebt: die Bochumer Kneipe „Zum Kuhhirten“. Die ARD Sportschau EM Watchparty war geboren. Genial, oder? Jo, genau.

Moderieren tut das der frischgebackene 1Live Morning-Show Moderator Malte Völz, der nach einer ähnlichen Karriere wie Elton, hier jetzt (puh, endlich, Malte!) im echten TV gelandet ist, und eine Show abliefert, die irgendwo zwischen TV Total, Inas Nacht und einem echten Just Chatting Twitch Stream oszilliert. Break Out Rooms Events lassen grüßen. „Witzig, witzig“ – man hört die Chanties im Schellfischposten fast. Ob Beckmann weiß, dass man ihm das Format abgeluchst hat?

Die Anleitung, wie das jetzt gehen soll, mit dem Second Screen bekommt man dann in der Sendung im Minutentakt geliefert (nervt): Einfach beim Spiel den Ton abdrehen, auf YouTube oder Twitch oder sonstwo den Stream einschalten und dann schaut man die Watchparty auf dem Second Screen! Kann nonsense in den Chat schreiben – der dann von Malte vorgelesen wird und wenn was Wichtiges im Spiel passiert, bekommt der Moderator einen Stromschlag, über eine Elektrode am Ellenbogen. Wow! So jung und wild, dieser Stream! Da sind die hochbezahlten Programmchefs sicher stolz.

Niemand schaltet ein

Blöd nur für eben jene Programmchefs: kein Mensch schaut sich das an! Beim Spiel Österreich gegen Frankreich am 17.06.2024 schauten auf YouTube 124 Leute und bei Twitch 329. TikTok – keine Ahnung. Mit solchen Zahlen kommt man nicht auf die Startseite! HoneyPuu streamte etwa zur gleichen Zeit standard Gaming Content für stabile 4K Zuschauer. Irgendein Kram, den Athene mit AI zusammengeschuster hat, hatte etwa 250 live Beobachter – mal so zum Vergleich. Nicht mal 500 Zuschauer also für Malte! Und das, obwohl der ARD Twitch Kanal über 35K Follower hat. Der Sportschau YT Kanal, unter dem der Stream lief, hat ähnlich viele Abonnenten. Und wenn man diesen beiden Top-Kanälen aus unerfindlichen Gründen nicht folgen sollte, dann ist der Stream auch noch irgendwie schwer zu finden, im Netz…

Daher:

Könnte es sein, dass so die Aufmerksamkeit für die Öffis aussieht, wenn nicht wie doll Klicks und Views mit Rundfunkgebührengeldern gekauft werden!? (Apollo News berichtete: „Gekaufte Klicks“) Da hatte man wohl vergessen, für Maltes Improv-Show den Online-Werbung-Nerd zu wecken…

Mampf, mampf. Das mit dem On-Air Pizza bestellen ging in die Hose. Ein Helfer hat schließlich aus dem Off eine Margarita organisiert. Bild: ARD/Riverside Entertainment

Ringelpiez und Pausenfüller… Gäähn.

Der Second Screen soll ja einen Mehrwert liefern. Das Problem ist aber, dass die Show keinen Mehrwert hat. Da wird Biertisch Smalltalk gehalten, der auch IRL einen Abend nur schwer trägt. Da wird im Stream gegessen und repariert. Wichtige Szenen im Spiel werden verpasst und nicht kommentiert. Die Gäste hängen dazu so rum. Und Malte versucht, die Grillen der Langeweile mit Wiederholungen – „mit Wiederholungen“ – zu überlabern. Prost! Da bleibt man lieber beim Fachkommentar – wie seit anno dazumal.

Überhaupt – diese bescheuerte Prämisse: man soll also den Ton beim Spiel abdrehen und dann den Ton von Malte andrehen. OK. Auf dem Handy, oder was? Wer – mal ehrlich – macht denn das? Da wäre es vielleicht mal eine innovative Idee, den Zweikanal-Ton Kanal des laufenden Programms zu nutzen? Da sucht man diese Tonspur aber vergebens. Oder das Spiel Bild im Bild, auf einem Monitor oder so, im Stream zeigen. Die ARD hat doch die Rechte, oder? Ach ne – blöd das: dann würde man das Spiel ja ins Internet übertragen… Tja, dumm gelaufen.
Und zu allem Überfluss sendet man dann später, nach dem Spiel, die Sendung nochmal, aber ohne das Spiel, also ohne Kontext! Ist aber auch schon egal – denn mit dem Spiel hat die Show eh nicht viel zu tun.

Bleibt abzuwarten, wie sich das Format in den nächsten (vielen) Wochen so entwickelt – ist ja noch lange hin bis zum Endspiel der EM am 14. Juli. Was wollen die da nur noch machen, um die Sendeminuten zu füllen!? Naja. Vielleicht grooven sich die Beteiligten ja noch ein. Vielleicht verirren sich noch mehr Zuschauer in den Stream. Vielleicht. Prognose: eher mau. Twitch Startseiten-Potential: 2%, wenn überhaupt.

Sendungs-Infos:

Titel: EM-Watchparty mit Malte Völz und Gästen
Produktion: Riverside Entertainment (unbestätigt)
Läuft immer parallel zu ausgewählten Spielen der Fußball Europameisterschaft 2024
Programmankündigung der ARD