Jumanji – Willkommen im Dschungel
Kurzkritik: Jumanji ist Popcornkino at its best! Eine Achterbahn-Fahrt durch einen stimmig linearen Plot, bei dem es spannende, herzige und schreiend komische Momente gibt. Ein gut aufgelegter, genialer Cast um „The Rock“ nimmt in diesem Fantasy-Abenteuer jeden Zuschauer mit, egal ob 12 oder hundert Jahre alt. Damit hält der Film in allen Punkten, was „auf der Verpackung steht“ und schaffte es zudem mit Leichtigkeit, einige aktuelle Gesellschaftsthemen geschickt abzuhaken. Ein auf seine Art genialer Film, der sein Geld absolut wert ist und blendend unterhält – von der ersten bis zur letzten Minute. Sehenswert.
Jumanji, der erste Versuch
Wer den Film Jumanji von 1995 nicht gesehen hat, ist nicht allein. Jeder, der damals älter als 12 war, kennt den Trailer, entweder dank der aufwendigen Werbekampagne oder aus ILM Making-Of Dokus, in denen Ausschnitte wegen der Tier CGI Effekte gezeigt wurden. Dass man den Film selbst nicht gesehen hatte, schmerzte damals und heute nicht so, denn irgendwie hatte man in den späten Neunzigern die überdrehte Robin Williams Art etwas satt. Zudem sagte selbst dem interessierten Zuschauer die Nashorn „Stampede“ aus dem Trailer dann doch nichts über den Film, dass wirklich ins Kino gelockt hätte. Das „vor Tieren wegrennen“ hatte man in Jurassic Park zwei Jahre früher zu genüge und in Spielberg Perfektion gesehen. Einen Nachklapp mit noch mehr Dschungel brauchte da niemand.
Jumanji – Willkommen, Dwayne „The Rock“ Johnson
Eigentlich schade, den die Prämisse des Films, basierend auf dem Kinderbuch von Chris Van Allsburg, hat eigentlich alle Zutaten, die man für einen US-Weihnachtsferien-Blockbuster braucht. Eine Gruppe Jugendlicher wird in ein verzaubertes Spiel „verstrickt“ – es stellt sich heraus, dass das Spiel real wird und die Protagonisten mit einem Mal den Herausforderungen des Spiels ganz real gegenüber stehen. Ähnliche Plots sind die Grundlage von solchen Klassikern wie z.B. Die unendliche Geschichte (1984), Den Goonies (1985) oder auch Hook (1991), letzterer amüsanter Weise ebenfalls mit Robin Williams.
Dass die guten Elemente zu recyclen eine gute Idee wäre und es tatsächlich schade war, dass der erste Jumanji Versuch im Kino so gescheitert ist – das dachten sich wohl auch die Weisen bei Sony und machten sich an einen Remix:
Zunächst wählte man die Hauptzutat – und da fiel die Wahl auf Dwayne „The Rock“ Johnson. Der ehemalige Wrestler und allround Sympath hat sich ja mittlerweile als Garant für Kassenknüller erwiesen. „Pack Dwayne ‚rein und selbst die schlimmste Gurke wird ein Hit.“ Damit war dann das Fundament für ein erfolgreiches Jumanji-Reboot schon gelegt und man konnte sich in der Chefetage entspannt zurück lehnen. In den niederen Rängen ruhe man aber nicht und machte sich auf dieser Basis fleißig ans Werk und wählte weitere feine Zutaten.
Gutes Buch und toller Cast
Auch beim Drehbuch hat man einiges richtig gemacht. Es wurde entschieden, kein Remake zu machen, sondern an die Ereignisse im ersten Teil anzuknüpfen. Man fügte eine Art Rückblende ein, die die Vergangenheit des ersten Streifens mit der Gegenwart des neuen Films verbindet. Die Brettspiel-Idee wurde zudem zu einem Videospiel aktualisiert – ganz zeitgemäß. Gaming ist ja das große Ding… Diese Aktualisierung fällt aber wohl nur älteren Semestern unter den Zuschauern seltsam auf und wer sich anfangs darüber noch schlaubergerisch wunderte, der wurde im Laufe des Film belehrt, dass man hier nicht so platt, wie vielleicht unterstellt, vorgegangen war. Denn diese Änderung ermöglicht dem Plot eine Reihe von tollen neuen Anknüpfungspunkten, die ein Brettspiel als Grundlage nicht hätte leisten können.
Der andere Kniff des Drehbuches war, nicht die Handlung des Spiels in die Realwelt zu holen, sondern die Figuren in das Spiel zu „saugen“. Zugegeben: das klingt nach Ready Player One und vor allem TRON, gibt aber wieder dem Plot diverse Freiräume, die sonst nur schwerer zu leisten gewesen wären. Zudem ist die „suspension of disbelief“ beim Zuschauer doch schon halb geschafft, wenn man sagt: „hey, wir sind in einem Spiel – da geht das“. Und so wird dann in der Handlung mehrfach gestorben und re-gespawnt, Figuren haben Fähigkeiten, die sie eigentlich nicht haben und nicht mal in Matrix Manier erst erwerben müssen. Oder Motorräder fahren hunderte von Metern quasi senkrecht Steilwände hoch. Klar geht das! Und gehörigen Spaß beim Zusehen macht das!
Spaß beim Zusehen hat man auch Dank des entfesselten Spiels der Darsteller. Okay, der Film ist auch ein Dwayne Johnson Vehikel. Es macht einfach immer Freude, „The Rock“ dabei zuzusehen, wie er sich selbst nicht zu ernst und immer wieder auf die Schippe nimmt oder wie er das Publikum mit einer Palette von durchgeknalltem bis nuanciertem Grimmassieren unterhält. Aber gerade wenn man den ersten Teil des Films noch im Kopf hat, kann man wirklich nicht behaupten, neben ihm würden die anderen Darsteller verblassen. Denn alle Rollen sind stimmig und mit tollen Talenten besetzt. Witzig dabei auch, wie Alex Wolff, der den jungen IRL Spencer spielt, hier allein durch sein Äußeres als eine Art Shia LaBeouf Wiedergänger erscheint, dabei aber ohne diese Distanz auskommt, die beim echten LaBeouf oft zwischen der Figur und dem Mimem steht. In diesem Film stimmt eben einfach alles. Auch die restliche Besetzung im „erwachsenen“ hinteren Filmteil hat keine Schwächen: Kevin Hart, Karen Gillan, Jack Black – alle perfekt gewählt. Seit King Kong ist Jack Black als Tropenhut-Träger ja ohnehin quasi unvermeidlich.
Apropos Hüte
Überhaupt hat dieser Film vieles, das man lange schmerzlich vermisst und selten gut gemacht (wieder-)gefunden hat. Gibt es noch diese Spielberg-Filme, Kracher wie die Indiana Jones Reihe? Selbstironisch, oft kindisch und voller „altmodischer“ Action? Ja, gibt es. Spielberg wurde schon genannt. Wer Ready Player One und Jurassic Park mochte, ist hier, schon wegen des Dschungelsettings, richtig. Wer Indiana Jones mochte, ebenfalls, denn die Familie Kasdan ist mächtig involviert. Lawrence Kasdan, George Lucas‘ Kollaborateur der Indy-Ära und Drehbuchautor des tonangebenden Jäger des verlorenen Schatzes (Indy I, Raiders of the Lost Ark) ist Vater eines Sohnes, der ebenfalls Regisseur ist, Jake Kasdan. Da der Sprößling zudem mehr dem komischen Fach zugeneigt ist, war das Engagement für die Jumanji-Neuauflage ein glücklicher Griff. Und so findet sich dann auch im Film eine gehörige Portion Indy DNS. Es gibt einen Snake Pit, der zwischen Figur und Schatz liegt und als in einer Action-Sequenz „The Rock“ sich auf einem Bazaar mal so richtig durchprügelt, ohne Aussicht auf ein Ende… Peng! Beendet ein Pistolenschuss das Ganze in einer augenzwinkernden Umkehrung der Auflösung der Bazaar-Prügelei in „Raiders“ (IGN, Top 6). Wenn jemand sich in den letzten Jahren für ein Spielberg-Erbe in Stellung gebracht hat, dann hat Kasdan hier definitiv nach dem Hut gegriffen.
Jumanji gestern und heute
Wer Jumanji aus VFX Dokus kennt, der kann an diesem Film auch interessiert verfolgen, wie sehr sich die Landschaft der CGI Effektschmieden verändert hat. Während in den 1990er Jahren George Lucas‘ Industrial Light & Magic (ILM) quasi der einzige Laden war, der computergenerierte Effekte in Kinoqualität abliefern konnte (und die IMDb credits sind eindrucksvolles Zeugnis davon), der wird den Namen ILM in den credits von Jumanji – Willkommen im Dschungel vergeblich suchen. Da ist viel The Third Floor, Iloura, Ollin, aber vor allem Rodeo FX und MPC am Start gewesen. Große Häuser, die aber auch gefühlt alles machen. Niemand von denen hat den Brand oder den Fame von ILM, denn Effekte kommen heute no-name zum dumping Preis vom billigsten Anbieter.
Auch gibt es Themen, die wohl unbedingt in einen als zeitgemäß und up-to-date geltenden Blockbuster gehören. Das Kästchen für Gaming-Culture hat der Film ja schon über das im zentralen Thema liegende Spiel mehr als abgehakt. Dann die Sache mit den Influencern: die Allgegenwart von und Fixierung auf Social Media, Insta und Co. Auch das wurde geschickt eingebaut – und mit genug Witz und Ironie, so dass man den belehrenden Abschluss davon als rund und nicht unangenehm empfindet. Und schließlich enthält der Film auch noch Gene einer Bodyswitch-Komödie, wieder mit der Lizenz aus dem Videospielsetting und der damit Gamern gut bekannten Avatar-Situation. Dann rauscht die Insta-Queen eben in den Körper des untersetzten männlichen Forschers. Klar. Und hinter dem klein geratenen Rucksack Diener/Sidekick verbirgt sich der großformatige Footballer „Fridge“. Ja, so kennt man das aus der Gaming-Welt. Und genau so spielerisch und spaßig werden die ulkigen damit verbundenen Situationen durchdekliniert, die Themen Gender, Körperwahrnehmung und Rollenmuster gestreift. Gelungen ist das. Bleibt noch die Erwähnung von Ruby Roundhouse. „Gespielt“ im Film wird die Street-Fighter -artige „Chun-Li Rolle“ von dem Mauerblümchen aus der Klasse. Sie durchlebt im Plot, wie alle der Gruppe, ein Abenteuer und wächst daran. Sie erkennt, dass ein fitter Body oder Aussehen eben nicht alles ist, sondern die eigentliche Kraft ihres Avatars und ihrer Person IRL aus Willen und Persönlichkeit erwächst. Dann haut sie alle um – ganz praktisch zu sehen im Film.
Also, wie ist das mit Jumanji – Willkommen im Dschungel? „Schwäche: keine?“ Ja, stimmt. Ein Film von „beeindruckender Intensität“ eben. Unbedingt anschauen. Sehr sehenswert.
Filminfo
Originaltitel: Jumanji: Welcome to the Jungle
USA – 2017 – 119 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12, JMK 10
Regie: Jake Kasdan
Drehbuch: Chris McKenna, Jeff Pinkner, Scott Rosenberg, Erik Sommers
Produktion: Ted Field, William Teitler, Matt Tolmach, Mike Weber
Musik: Henry Jackman
Kamera: Gyula Pados
Schnitt: Steve Edwards, Mark Helfrich
Mit: Dwayne Johnson, Jack Black, Kevin Hart, Karen Gillan, Nick Jonas, Bobby Cannavale, Alex Wolff, Madison Iseman, Ser’Darius Blain, Morgan Turner, Missi Pyle, Rhys Darby, Colin Hanks, Marin Hinkle
Zuletzt im Free-TV am 2. Dezember 2021 auf VOX.
Deutscher Trailer hier: