Warum Kinder Minecraft Videos suchten
Das Videospiel Minecraft ist ein Phänomen von ungekanntem Ausmaß. Rekorde, die bislang von Spielen wie Tetris, Titeln aus dem Hause Nintendo, Rockstar oder der Sim-Reihe gehalten wurden, hat Minecraft quasi alle eingesammelt. Erwachsene, aber besonders Kinder lieben das Spiel. Und viele Kinder lieben auch YouTube. Da ist es nicht verwunderlich, dass Kinder, die Minecraft spielen auch Videos über Minecraft schnell verfallen. Und trotzdem ist das irgendwie rätselhaft, denn die Videos sind oft seltsam gehaltsarm. Dagegen ist Ninjago großes Drama. Also, was läuft da? Was sind das für Videos? Ist das ein Problem? Ein Erklärungsversuch.
In zwei Sätzen: Was ist Minecraft?
Früher waren Bauklötze. Dann kam LEGO: Klemmbauklötze aus Plastik, passgenauer als Holz und leicht fixierbar, aber immer „zu wenig“. Minecraft ist ein virtueller LEGO-Baukasten, ohne Begrenzungen bei Steinen, Formen und die gebauten Ideen müssen nicht alle ins Kinderzimmer passen. Erfunden wurde das ganze von Notch, einem schwedischen Programmierer, der quasi eine First-Person Shooter Engine so umgebaut hat, dass man gleichzeitig spielen und die Spielwelt verändern kann. Vertrieben hat das Spiel seine dazu gegründete Firma Mojang. Ein wenig später wurde das Ganze von Microsoft geschluckt und nochmal so richtig groß gemacht.
Kinder spielen Minecraft gern – warum?
Minecraft ist ein Spiel aus dem „Sandbox“ Genre. Man kann bauen, erschaffen, erforschen. Minecraft bietet Raum für neu dazu erfundene Spiele, für First-Person-Shooter Mechaniken genauso wie etwa für virtuelle Begegnungs-Welten ähnlich SecondLife. Zwar in Pixel-Grafik Retro-Optik, aber doch, bildet Minecraft letztlich die Welt nach. Und daher ist im Prinzip auch alles in Minecraft möglich.
Der Einstieg in Minecraft geschieht meist über die simplen ersten Schritte im Spiel. Dinge „abbauen“. Die „Nacht überleben“. Mit Tieren und der virtuellen Welt interagieren. Das ist für junge Gamer schon spannend und neu genug! Wenn dann noch Mods und die Dynamik von Fans – begeisterten Erwachsenen oder Schulfreunden (!) aus der realen Welt hinzu kommen, dann ist Minecraft fast nicht zu übertreffen in seinem Reiz für junge Spieler. Zudem ist Microsoft schlau genug, um Minecraft wie einen Film Franchise zu melken: mit Merch wie Lizenzbüchern, Kleidung, Tassen, Figuren, etc. Die ganze Palette bis zum Klopapier.
Kombiniert man diese Dinge, den starken Reiz des Spiels als Videospiel und multimediale (Erst-) Erfahrung und das Spielprinzip der „unendlichen Möglichkeiten“, dann ist es leicht für Kinder, sich im Spiel zu verlieren, kein Ende zu finden, Suchtlogiken zu erliegen. So kann sich eine ganze kindliche Erlebnis- und Gedankenwelt in einen Strudel von Minecraft, Minecraft und noch mehr Minecraft einspinnen. Das kann bedenklich sein! Erwachsene sollten Jugendliche bei ihrem Spiel begleiten, sich mit den Kindern mindestens darüber unterhalten und zur Distanz anleiten und schließlich auch Grenzen setzen – so schwer das auch sein mag.
Darum schauen Kinder gern Minecraft Videos
Wenn man um die große Sogwirkung von Minecraft weiß, dann überrascht es nicht: Wer gern Minecraft spielt, der wird vermutlich immer dann, wenn die kleine Spielerin oder der kleine Gamer es nicht direkt spielen kann, auf anderem Wege eben indirekt, Videos darüber gucken. Kinder verfallen dieser Logik als erstes. Und wenn man auf YouTube nach Minecraft sucht, bekommt man ganz schnell Videos von deutschen YouTubern wie Arazhul, LarsOderSo, DoctorBenx, AwesomeElina vorgeschlagen. Weil die das schwerpunktmäßig machen und so richtig viele Follower haben. So funktioniert der YouTube Algorithmus eben.
Nachgemacht haben die deutschen YouTuber das vermutlich, wie so oft (facepalm), dem englischsprachigen Ausland. Streamer wie DanTDM machen solche simplen Minecraft „Adventure“ Videos auch, nur eben auf Englisch. Der hinter DanTDM stehende Mensch, Dan Middleton, hat (Stand Januar 2022) schlappe 26 Millionen Follower auf YT und nennt sich „TDM“ für „The Diamond Minecart“, die Diamanten-Lore. Klar ist das an Minecraft angelehnt – aber gemessen an dem geschätzten Verdienst, bei fast 20 Milliarden Video-Aufrufen, sind die albernen Videos für Dan nicht nur eine Gold-, sondern tatsächlich eine Diamantenmiene.
Natürlich machen alle diese YouTuber breit gefächerten, diversifizierten Content und geben sich total viel Mühe dabei. Das soll hier auch gar keine General-Schelte sein. Trotzdem kann man wohl – auch ohne jetzt wirklich alle Videos von ihnen gesehen zu haben – sagen: die Minecraft Videos von Dan, ebenso wie – sagen wir mal – Arazhul, sind simpel gemachte, improvisierte, einfach gestrickte Kinder „Geschicht’chen“, eine Art spontan ausgedachte Quatsch-Erzählung, die dann in Echtzeit mit der Minecraft Engine dargestellt wird. Ganz so, als ob jemand mit Puppen in der Hand vor einer Kamera Kasperltheater spielt und das Ganze dabei mit einem Auge durch die Kamera noch selbst filmt. Daher kommen wohl auch die verstellten Stimmen manchmal.
Simpel-Animationsfilme mit einer Spiele-Engine – früher hieß das mal Machinima. Beliebt ist (war?) die Disziplin auch mit LEGO-Männchen für Stop-Motion Animationsfilme. Die echten LEGO-Kinofilme haben dann diese Idee quasi an der Kinokasse monetarisiert. Auf YouTube monetarisieren schlaue YouTuber das gerade mit unzähligen Kindern, die sich ihren Content auf den Handys und Tabs der Eltern ‚reinziehen – und die eingeblendete Werbung gleich mit. Auch YouTube freuts.
Let’s Play, Minecrafter und diese nervige Stimme!
Die meisten Jugendlichen und kleinen Minecraft Fans werden auf YouTube vermutlich sog. Minecraftern zusehen oder Let’s Play Videos aufrufen. Da wird ge-LOL-t, in hoher, nerviger oder alberner Stimmlage gesprochen, Nonsense wiederholt oder Running-gags gemacht, die für Erwachsene unlustig sind. Quatsch eben. Kinder lieben das. Und sie lieben Quatsch-Videos zu ihrem Lieblingspiel Minecraft. Traurig, aber wahr. Und vermutlich harmlos – wenn man sich um die entgangene „besser genutzte Zeit“ nicht allzu sehr sorgt. Die Kleinen versuchen hier etwas über ihr Spiel zu lernen, Tipps zu erhalten, sich Kniffe abzuschauen. Und Minecraft ist ja ein durchaus schöpferisches Spiel. Wenn die Kinder dagegen von einem älteren Mitschüler erzählen würden, der schon ein paar mal sitzen geblieben ist aber zu Hause „so lange Fornite spiel darf, wie er will“… dann ist das schon eher ein Stirnrunzeln wert…
Als Fazit kann man vielleicht sagen: Schon okay, wenn die Kinder das gucken. Aber habt ein Auge darauf, liebe Erziehungsberechtigte! Die Nervigkeit der Minecraft Videos verführt vielleicht dazu, die so heiß geliebten Videos der Kinder schlecht zu reden. Nicht so gut. Eine bessere Strategie ist sicher, sich mit den Kindern darüber zu unterhalten.
Und vielleicht führt die Nervigkeit der Videos auch dazu, dass die Erwachsenen sich abwenden und die Kids dann machen, was sie wollen – auf YouTube heißt das dann, sie sehen, was ihnen vorgeschlagen wird.
Schonmal ein Kind bei in-game Werbung beobachtet? Da kommt die Werbung. „Aha. Sieht interessant aus!“ Klick. Zwei Sekunden später wird ein Schrott-Spiel im App Store installiert. Man selbst, als Erwachsener, würde da nie ‚drauf klicken… Auf YouTube geht das genau so. Kinder klicken einfach auf das interessanteste Vorschaubild. Erst recht, wenn das Lesen noch schwer fällt. Nicht umsonst ist der Kanal von beliebten YouTubern, wenn man sich die Vorschaubilder anschaut, knall-voll mit Thumbnails, auf denen die Augen und der Mund weit aufgerissen sind. „Das muss ja schockierend toll sein, das Video…“ Klick. Als Klick-bait für die Kleinsten mag das ja noch gerade so gehen, wenn es auch irgendwie mies ist. Aber ebenso kann in den Vorschlägen auch mal etwas echt Zweifelhaftes dabei sein – auf YouTube geht das, Nonsense neben Problemvideo, neben nicht jugendfrei… Je nachdem, wie alt die jungen Minecraft Fans sind, kann das also problematisch sein.
Daher: wie bei jeder Mediennutzung der Kinder mit Zugang zum „echten wilden Internet ohne Einschränkungen“ – ein Auge ‚drauf haben! Vielleicht einzelne dieser YouTuber mal selbst ansehen und Empfehlungen oder Ermunterungen zu einzelnen Kanälen aussprechen.
Mein Kind will YouTuber werden, mit Minecraft Videos!
Wenn Kinder diese Gaming Videos suchten, dann dauert es nicht lange, bis die Macher solcher Videos zu Helden für sie werden. Gern auch beginnen sie ihre Sprache zu übernehmen. So etwas eben. Und was wollen alle Kinder oder Jugendlichen, wenn sie ihre Helden entdecken? Sie wollen wie ihre Helden sein. Selbst Helden werden. Sie wollen, klar: YouTuber werden! Gamer Nerds, ehemals die Eckensteher auf dem Schulhof, sind im Zentrum des Interesses angekommen. Streamer, YouTuber und Influencer sind die Rockstars unserer Zeit.
Aber klar können Kinder keine YouTuber werden. Das verstößt gegen gefühlt so ziemlich jedes Gesetz in Deutschland und Europa. Im Kleingedruckten heißt das, dass Minderjährige ohne elterliche Begleitung YouTube tatsähclich überhaupt nicht besuchen dürfen. Da macht sich Google/Alphabet einen schlanken Fuß. Zwar gibt es YouTube Kids, aber z.B. darf man auf YT ohne 16 zu sein nicht mal ein eigenes Konto einrichten. (Die genauen Vorgaben bitten wir bei YouTube nachzulesen – das kann und soll hier keine Rechtsberatung sein!)
Zudem sind die Kleinsten noch überhaupt nicht in der Lage, zu überblicken, was es bedeutet, sein Konterfei und private Ansichten mit der Welt zu teilen. Erwachsene können das, und sind da zum Teil überraschend mutig. Aber Kinder wissen noch nicht über das „rauhe Netz“ Bescheid, kennen oder erleben Dinge wie „Cybermobbing“ hoffentlich nie. Schon für einen Erwachsenen kann es hart sein, im Netz Gegenwind oder sogar nur eine spielerische Zurückweisung, wie etwa einen „Ban“ zu erleben. Kinder haben ja keine Ahnung! Von Themen wie Stalking oder Betrügereien ganz zu schweigen.
Aber ein striktes Nein zum Minecraft Video?
Aber ein striktes „Nein“ ist vielleicht auch falsch. Schon vergessen? Minecraft ist ein schöpferisches Spiel. Der Wunsch der Kinder ist jetzt, die Möglichkeit ihm zu folgen erst in vielen Jahren erreichbar. Bis dahin ändern sich die Wünsche sicherlich. Zumindest werden sie dann verantwortlich angegangen werden können. Aber bis dahin bietet sich doch eine andere Möglichkeit:
Es braucht nur ein Mikrofon und eine Screenrecorder Software – schon kann es losgehen. Eine Kamera geht auch noch und hat ohnehin jeder. Die ganz gut ausgestatteten Haushalte haben vielleicht sogar eine Game Capture Card. Und dann macht man einfach – mit den Kindern so ein Minecraft Video. Probiert das mal aus. Verbringt Zeit miteinander. Dann erleben die Kinder, was es heißt, diese Kasperltheater-Videos zu produzieren. Vielleicht ganz gut, wenn das echte, quasi das „IRL Kasperletheater“, noch nie gespielt wurde. Und es zwingt einen ja niemand, diese Machwerke ins Netz zu stellen. Die Kinder müssen verstehen, dass das nicht erlaubt ist! Und mehr nicht drin ist! Spaß macht es aber bestimmt. Und der Wunsch wird dadurch vermutlich auch kleiner.
Wenn es dann Diskussionen gibt – darüber, dass „andere das ja nicht sehen können“, man das ja dann „nicht live streamt“ oder „nicht auf YouTube hochlädt“. Ja, dann müssen die Kinder das leider akzeptieren. Man könnte auch auf die Idee kommen, den Kindern dann Fragen zu stellen: was sie denn denken, damit zu erreichen? Warum sie davon ausgehen, überhaupt ein Publikum zu finden? Wie sie sich fühlen werden, wenn andere erfolgreich sind und sie selbst, mit ihren Videos, erfolglos? Wie sie mit gemeinen Kommentaren umgehen wollen? Alles so etwas. Man würde vermutlich nur einen überforderten Blick ernten. Aber wenn man als Erwachsener darüber nachdenkt, was dann wäre, ja dann weiß man umso sicherer, warum Kinder und auch Jugendliche das lassen sollten!
Wo kann ich mich weiter informieren
Dieser Artikel hier kann nur eine subjektive Einzelsicht ohne pädagogisch fundierten Hintegrund sein. Hingegen gibt es eine ganze Reihe von Angeboten im Netz, die Eltern Hilfe und Rat an die Hand geben. Fachlichen Rat. Zum Beispiel die Initiative KlickSafe der EU in Deutschland oder SaferInternet in Österreich. In Deutschland steht Eltern zudem u.a. das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Familie zur Seite. Einfach mal im Bereich „Service“ nach „Internet“ suchen und auf die Publikationsart „Broschüre“ eingrenzen.